Das Bauhaus als UNESCO-Weltkulturerbe

Im Jahr 2003 wurde die Weisse Stadt in Tel Aviv von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Welche Folgen dies für Tel Aviv und die dortigen Bauhaus-Gebäude hatte und welche Bedeutung der Aufnahme auf die Welterbeliste beizumessen ist – gerade auch in Anbetracht der Tatsache, dass Israel im Dezember 2018 seinen Austritt aus der UNESCO rechtskräftig machen wird – soll im nachfolgenden Abschnitt untersucht werden.

UNESCO steht für „United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization”. Sie ist eine von 16 Sonderorganisationen der Vereinten Nationen und hat ihren Sitz in Paris. Derzeit sind 195 Mitgliedstaaten in der UNESCO vertreten. Gegründet wurde die UNESCO am 16. November 1945 in Paris. Ihr Leitsatz lautet: „Da Kriege im Geist der Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geist der Menschen verankert werden.“ (http://www.unesco.de/ueber-die-unesco/ueber-die-unesco.html, zuletzt aufgerufen am 4.2.2018). „Die UNESCO hat die Aufgabe, ‚durch Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Völkern in Bildung, Wissenschaft und Kultur zur Wahrung des Friedens und der Sicherheit beizutragen‘“. (dies., zuletzt aufgerufen am 4.2.2018) Zum Profil der UNESCO gehört nicht nur, wichtige kulturelle Stätten zum Weltkulturerbe zu erklären, wofür sie vermutlich am besten bekannt ist. Ihr Aufgabengebiet umfasst darüber hinaus ein so genanntes „Ideenlabor, „Internationale Gesetzgebung“, „Clearing House“ (Sammlung, Analyse und Verbreitung von Informationen und Daten zu weltweiten Entwicklungen in der Bildung, Wissenschaft, Kultur und Medien), „Aufbau von Kapazitäten“, „Globale Netzwerke“ und „Katalysator der Entwicklungszusammenarbeit“ (http://www.unesco.de/ueber-die-unesco/ueber-die-unesco/unesco-profil.html, zuletzt aufgerufen am 4.2.2018). Das Programm der UNESCO wiederum umfasst vier Hauptprogramme: „Bildung, Wissenschaft, Kultur sowie Kommunikation und Information.“ (http://www.unesco.de/ueber-die-unesco/ueber-die-unesco/unesco-programm.html, zuletzt aufgerufen am 4.2.2018). Dem Hauptprogramm Kultur soll in der vorliegenden Arbeit in Bezugnahme zur Weissen Stadt in Tel Aviv besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden:

Die UNESCO ist die einzige UN-Organisation mit einem Mandat für Kultur.

„Sie schützt das kulturelle Erbe und fördert den interkulturellen Dialog. Den völkerrechtlichen Rahmen bilden die Übereinkommen zum Schutz der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen, zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes und die Welterbekonvention. Auf der UNESCO-Liste des Welterbes stehen über 1.000 Kultur- und Naturdenkmäler in über 160 Ländern. Die ‚Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit‘ verdeutlicht die Vielfalt lebendiger Kulturtraditionen.“ (http://www.unesco.de/ueber-die-unesco/ueber-die-unesco/unesco-programm.html, zuletzt aufgerufen am 4.2.2018).

Das Leitmotiv des Kulturprogramms der UNESCO ist „Culture counts“ (http://www.unesco.de/ueber-die-unesco/ueber-die-unesco/unesco-programm.html, zuletzt aufgerufen am 4.2.2018). Seine Hauptziele sind: Schutz und Erhaltung des kulturellen Erbes, Bewahrung und Förderung der kulturellen Vielfalt und der Dialog zwischen den Kulturen (http://www.unesco.de/kultur/kultur-ueberblick.html, zuletzt aufgerufen am 4.2.2018) Nachfolgend sollen einige Sätze aus dem Kulturprogramm der UNESCO näher untersucht werden. Es soll herausgearbeitet werden, inwiefern diese allgemeingültigen Statute sich auf die Situation in Israel, konkreter: in Tel Aviv, anwenden lassen. Kann die Weisse Stadt in Tel Aviv als klassisches Weltkulturerbe im Sinne der Zielausrichtung der UNESCO gelten? Wurden die Ziele des UNESCO-Kulturprogramms hier erfolgreich umgesetzt?

  1. „Kulturelle Zusammenarbeit schafft und stärkt kulturelles Selbstbewusstsein.“ (dies., zuletzt aufgerufen am 4.2.2018)

Die Weisse Stadt in Tel Aviv ist tief im kulturellen Bewusstsein Israels verankert. Dies zeigt sich an mehreren Beispielen: Zunächst taucht die Weisse Stadt als Sehenswürdigkeit in vermutlich so ziemlich allen Reiseführern durch die Stadt Tel Aviv auf. Sie wird als Touristenmagnet gehandelt, und genau dies ist auch der Grund, warum Tel Aviv sich bemüht, zumindest die berühmtesten der Bauhaus-Gebäude möglichst originalgetreu zu erhalten. Auch auf dem Ferienwohnungs-Portal airbnb zeigt sich, dass die Weisse Stadt zu Werbezwecken für Tel Aviv verwendet werden kann. Zahlreiche Ferienwohnungen werden hier mit dem Vermerk angepriesen, dass es sich um Bauhäuser handele. Auf diesem Blog wird unter anderem von einem Besuch bei Chen Steinberg berichtet. Sie wohnt selbst in einem Bauhaus und vermietet nebenbei eine Bauhauswohnung auf airbnb. Vermutlich ist sie nur ein Beispiel von vielen: Einige Tel Avivis sind sich sicherlich darüber im Klaren, dass sie Bauhaus-Häuser bewohnen. Es gibt auch Stadtführungen, die sich hauptsächlich mit Bauhaus-Häusern beschäftigen. Es ist jedoch auch so, dass Bauhaus-Häuser heutzutage fast unbezahlbar geworden sind. Häufig werden sie von Investoren aus dem Ausland gekauft und restauriert, nicht von Einheimischen. Schlumith Gross, Stadtführerin des Bauhaus-Zentrums in Tel Aviv, berichtet während einer ihrer Führungen, dass die Wohnungen heute mindestens 2000$ im Monat kosten, Tendenz steigend. Sie weiß außerdem, dass die Bauhaus-Wohnung heute zum Großteil von Immigranten aus Frankreich gekauft werden.

  • Das Bauhaus-Zentrum wurde nicht von einem Israeli, sondern von einem Schweizer und seiner jüdischen Frau eröffnet
  • Im Interview sagt Micha zu mir, dass es keine große Rolle spielen wird, ob Israel aus der UNESCO austritt. Es gab sowieso kein Geld zur Restaurierung der Häuser, daran wird sich also nichts ändern. Auch die Bedeutung der Bauhaus-Häuser wird durch den Austritt nicht gemindert – die Tel Avivi wissen, dass die „Weisse Stadt“ ein großer Touristenmagnet ist.
  • Das kulturelle Selbstbewusstsein Tel Avivs zeigt sich unter anderem schon auch in den Bauhaus-Häusern, da sie in den Stadtführern auftauchen, teils auch ausgeschrieben sind als Bauhaus-Gebäude, gut sichtbare Banner tragen…

„Menschliche Kreativität ist ein weltweit verbreitetes und erneuerbares Potential. Sie speist sich aus dem lebendigen kulturellen Austausch in und zwischen Gesellschaften.“

  • Der Austausch zwischen den Gesellschaften hat am Beispiel der Bauhaus-Häuser in Tel Aviv gezwungenermaßen stattgefunden, da jüdische Architekten gezwungen waren, aus Deutschland zu fliehen
  • Der „Austausch“ – wenn man es so nennen will, zeigt sich unter anderem in den deutschen Fließen und Armaturen, die die Geflüchteten mit nach Israel brachten.
  • Auch was die Begriffe auf dem Bau angeht, die vom Deutschen ins Israelische übertragen wurden, könnte man von „Austausch“ sprechen
  • Arieh Sharon ist ein gutes Beispiel für kulturellen Austausch, da er nicht etwa in Deutschland aufgewachsen und dann vertrieben worden war, sondern weil er erst nach Deutschland zum Studieren ging, nachdem er bereits in Israel gewesen war.

„Die Förderung der kulturellen Vielfalt festigt die Zukunftsfähigkeit von Gesellschaften. Nachhaltige Entwicklung braucht die Fähigkeit zum Wandel, gerade auch zum Wandel von Lebenspraxis.“ (dies., zuletzt aufgerufen am 4.2.2018)

  • Kulturelle Vielfalt in Tel Aviv: Europäische Einflüsse vermischen sich mit orientalischen
  • Zukunftsfähigkeit von Gesellschaften am Beispiel von Tel Aviv: Wird als neues Silicon Valley gehandelt, ist weniger religiös als die übrigen Teile des Landes, es gibt eine große LGBT-Szene, vegane Szene usw.
  • Juden kommen nicht nur aus einem bestimmten Land, sondern aus vielen verschiedenen. Derzeit kommen viele Juden aus Paris bzw. Frankreich nach Israel, direkt nach dem Krieg waren es eher Russen und generell Juden aus Osteuropa. Dies sorgt natürlich für eine große kulturelle Vielfalt.
  • Wandel von Lebenspraxis: hat in Israel gerade kurz vor und nach der Staatsgründung in ganz krassem Ausmaß stattgefunden: Anfangs, bei der ersten Besiedelung, spielten vor allem handwerkliche Fähigkeiten und Landwirtschaft eine Rolle, dies hat sich dann recht zügig gewandelt. Leute, die vor ihrer Flucht nach Israel eben keine Handwerker oder Landwirte waren, mussten sich den anderen Umständen im neuen Heimatland anpassen.

„Kultur ist daher ein strategisches Instrument für nachhaltige Entwicklungspolitik. Für Frieden und Sicherheit ist die Anerkennung von Kultur unabdingbar.“

  • Hat in Israel nicht so richtig gut funktioniert: trotz großer kultureller Vielfalt und reichem kulturellen Erbe gibt es nach wie vor viele Konflikte. Allein auf den Tempelberg in Jerusalem erheben die drei Weltreligionen einen gleichermaßen gerechtfertigten Anspruch: Die Juden hatten hier ihren ersten Tempel, der wichtigste Prophet der Moslems, Mohammed, fuhr hier gen Himmel und Jesus, der laut Christen der Sohn Gottes ist, wirkte und predigte hier. Gerade die Anerkennung von Kultur führt hier zu Konflikten!
  • Die Anerkennung der Stadt Hebron im Westjordanland war es, die den Austritt Israels aus der UNESCO letztlich begründet hat. Also hat hier die Anerkennung von Kultur gerade nicht für Frieden und Sicherheit gesorgt, sondern für Unmut und Unfrieden.

„Post-Konfliktländer und -regionen werden durch besondere Maßnahmen und Projekte zum Aufbau ihrer kulturellen Infrastruktur unterstützt.“

  • Davon ist in Israel momentan nicht viel zu spüren.

Die Magna Charta der internationalen Kulturpolitik verankert das Menschenrecht auf kulturelle Selbstbestimmung im Völkerrecht. (http://www.unesco.de/kultur/kultur-ueberblick/kultur-programm.html, zuletzt aufgerufen am 4.2.2018) „Kernstück ist die Anerkennung des Rechts aller Staaten auf eine eigenständige Kulturpolitik.“ (dies.)

  1. „Die UNESCO steht für Stärkung und Förderung der internationalen kulturellen Zusammenarbeit für eine nachhaltige Entwicklung“ (dies).

Was die Internationale kulturelle Zusammenarbeit angeht, kann die Weisse Stadt in Tel Aviv sicherlich als Vorbild dienen: Deutschland und Israel arbeiten hier seit Jahren Hand in Hand, um die rund 4.000 Bauhaus-Gebäude in Tel-Aviv vor dem Verfall zu bewahren.

Wie sich die Zusammenarbeit zwischen Israel und Deutschland konkret gestaltet, lässt sich hier nachlesen.

Welche Stätten werden als Weltkulturerbe anerkannt?

Um als Weltkulturerbe anerkannt zu werden, muss zunächst ein Vorschlag für die betreffende Stätte bei der UNESCO eingereicht werden. Experten führen daraufhin eine Evaluierung durch, die dem Welterbekomitee als Grundlage für ihre Entscheidung für oder gegen eine Aufnahme als Weltkulturerbe dienen (sinngemäß: http://www.unesco.de/kultur/welterbe/welterbe-fragen-und-antworten/welterbe-aufnahmeverfahren.html, zuletzt aufgerufen am 4.2.2018). Für die Festlegung einer kulturellen Stätte als Weltkulturerbe gibt es einige Kriterien, die von der betreffenden Stätte eingehalten werden müssen:

  • Einzigartigkeit
  • Authentizität (historische Echtheit)
  • Integrität (einer Naturerbestätte)
  • Erhaltungszustand inkl. Überzeugendem Managementplan

Ein zwischenstaatliches Komitee entscheidet, ob diese Kriterien eingehalten wurden (alles sinngemäß: http://www.unesco.de/kultur/welterbe/welterbe-fragen-und-antworten/welterbekonvention.html, zuletzt aufgerufen am 4.2.2018). Wurde eine Stätte zum Weltkulturerbe erkoren, wird sie der über 1.000 Orte umfassenden „UNESCO-Welterbeliste“ hinzugefügt. Die Weisse Stadt in Tel Aviv wurde 2003 auf die Liste aufgenommen. Das Bauhaus und seine Stätten in Weimar und Dessau hingegen wurden viel später, erst im Juli 2017 ergänzt (http://www.unesco.de/kultur/welterbe/welterbestaetten/welterbeliste.html, zuletzt aufgerufen am 4.2.2018) Darüber hinaus führt die UNESCO eine weitere Liste, die „Liste des gefährdeten Welterbes“. Auf dieser Liste stehen derzeit 55 Welterbestätten, darunter die Altstadt Jerusalems.

Allein verantwortlich für den Erhalt von Welterbestätten sind die Vertragsstaaten selbst. Die UNESCO bietet keine Unterstützung an:

„Mit der Anerkennung einer Natur- oder Kulturstätte als Welterbe sind keine finanziellen Zuwendungen durch die UNESCO verbunden. Vielmehr verpflichten sich die zuständigen Regierungen, die Schutz- und Erhaltungsmaßnahmen eigenständig zu finanzieren.“ (http://www.unesco.de/kultur/welterbe/welterbe-fragen-und-antworten/welterbe-aufnahmeverfahren.html, zuletzt aufgerufen am 4.2.2018).

Austritt aus der UNESCO

Seit dem 30.12.2017 ist es offiziell: Israel wird zum 31.12.2018 seine Mitgliedschaft bei der Uno-Kulturorganisation UNESCO beenden. Den ersten Schritt in diese Richtung hatten bereits im Oktober die USA gemacht. Sie kündigten damals an, aus der UNESCO auszutreten, da sie dort israel-feindliche Tendenzen wahrzunehmen schienen. (sinngemäß: http://www.deutschlandfunk.de/unesco-israel-kuendigt-austritt-ende-2018-an.2849.de.html?drn:news_id=833462, zuletzt aufgerufen am 2.1.2018). „Nach der Aufnahme Palästinas in die Unesco 2011 hatten die Vereinigten Staaten bereits ihre Beitragszahlungen gestoppt.“ (http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/israel-kuendigt-unesco-austritt-an-15366336.html, zuletzt aufgerufen am 02.01.2018) Letztendlicher Auslöser für den Austritt Israels aus der UNESCO war die Anerkennung der Altstadt von Hebron im Westjordanland als palästinensisches Weltkulturerbe. Doch schon zuvor hatte der Exekutivrat der UNESCO wiederholt israelkritische Resolutionen beschlossen, woraufhin Israel die Beitragszahlungen an die UNESCO verringert hatte. Der Austritt tritt Ende 2018 in Kraft. UNESCO-Chefin Audrey Azoulay bedauert das Austreten Israels zutiefst. Sie sagte, die UNESCO sei eine Institution, die sich „für die Verteidigung der Redefreiheit, die Prävention von Antisemitismus und von Rassismus in all seinen Formen einsetzt.“ (alles wörtlich bzw. sinngemäß: http://www.spiegel.de/politik/ausland/unesco-israel-kuendigt-formell-austritt-an-a-1185531.html, zuletzt aufgerufen am 4.2.2018).

Folgen des Austritts:

Israel darf fortan keine Vorschläge mehr für neue Welterbestätten einreichen, da nur Vertragsstaaten dieses Recht haben. (sinngemäß: http://www.unesco.de/kultur/welterbe/welterbe-fragen-und-antworten/welterbe-aufnahmeverfahren.html, zuletzt aufgerufen am 4.2.2018). Darüber hinaus ist Israel nicht länger verpflichtet, die Verantwortung für den Erhalt der in Israel befindlichen Welterbestätten zu sorgen. Dies stellt jedoch keinen großen Unterschied zur bisherigen Situation dar, da die israelische Regierung auch bisher keine finanziellen Mittel zum Erhalt der Weissen Stadt zur Verfügung gestellt hat.

Micha Gross, Gründer des Bauhauszentrums in Tel Aviv, glaubt nicht, dass der Austritt aus der UNESCO negative Folgen für die Bauhaus-Gebäude in der Stadt haben werden. Da auch von der UNESCO ohnehin kein Geld für die Restaurierung der Häuser zur Verfügung gestellt würde, mache es letztlich keinen Unterschied, ob Israel zur UNESCO gehört oder nicht. Die „Weiße Stadt“ werde auch nach 2018 noch Touristenmagnet bleiben.